„Sozialschmarotzer man mich jetzt schimpft,
Noch nie ich gefühlt habe mich so verunglimpft,
Dabei ich habe immer viel gegeben,
z.B. dem 1. FC Bayern München (fast) mein (ganzes) Leben.
Doch jetzt in den Knast ich wandern soll:
Wobei ich frage mich, was das soll?“
Verse, deren authentische gedankliche Schlichtheit jedem Leser an die Nieren geht. Zeilen, aus denen der brennende Wunsch züngelt, die Wahrheit zu sprechen, sie notfalls zu erfinden. Was sich liest, als handle es sich um Fragmente aus dem Nachlass Erich Frieds, stammt in Wirklichkeit aus der Feder eines zeitgenössischen Dichters. Eines Poeten, der seine „Neigung“, wie er sie nennt, lange geheimhalten musste: Uli Hoeneß.
Erst in den kommenden dreieinhalb Jahren wird er „endlich Zeit haben, mein octopus magnum zu schreiben“, wie der freundliche Verbrecher der Literaturzeitschrift „BELLA triste“ mitteilte.
Er werde sich, so Hoeneß, eigens in ein „isoliertes Retreat im bayerischen Landsberg“ begeben, um endlich wieder Zeit für vernachlässigte Hobbies zu haben. Dazu gehören: das Schnitzen kleiner Phalloi aus Kernseife, das Zählen der Zellenfliesen und das Sammeln blauer Flecken während des täglichen Hofgangs. Und natürlich: das Dichten.
„Von alldem musste ich in den vergangenen Monaten aufgrund hoher steuerlicher Belastungen leider Abstand nehmen“, sagte Hoeneß der Literaturzeitschrift, sowie: „Aua! ‚Danke‘ für den blauen Fleck, den kannte ich noch nicht.“
Schon seit Jahren führt der ehemalige Nationalspieler eine unscheinbare Kladde mit sich, in der er nicht nur „erotisch gefärbte Schmunzeleien nach der Natur“ festhält, sondern „auch mal eine schnelle asklepiadeische Ode“, so Hoeneß.
Aufgrund der Popularität des Autors fand sich auch schon ein Verlag: Bereits für die Frankfurter Buchmesse ist der Band „Spott und Ho(e)hn(eß)“ angekündigt, der bei Luchterhand Leichtgewicht erscheinen wird. Der Autor beschreibt den Inhalt bescheiden als „eine Sammlung großer und kleiner Wahrheiten, die sich dem Allgemein-Menschlichen entgegenwölben.“ Ein Vorwort unter dem Titel „Ich fühle, was du fühlst“ wird Sepp Blatter beisteuern.
Erste Auszüge aus dem Band wurden bereits in „BELLA triste“ veröffentlicht. Sie entstanden nach Angaben des Autors noch während des laufenden Prozesses. „Steuerschuld – Schuldsteuer“ ist eines der Versgebilde suggestiv betitelt:
„Mitten auf der Erfolgsstraße
(Weltmeister 1974, Bayern-Chef usw.)
hinter meiner persönlichen Mehrleistungskurve
(voll viele Millionen p.A.)
lauert:
neidöliger Schandfleck
(Verdacht auf Steuerbetrug!)
rutsche rollsplitternackt
selbst(-)Anzeige nutzlos
reiße ich das Schuldsteuer
(Steuerschuld)
noch
herum?
Schrumm-brumm-di-brumm.“
„Ich habe nicht nur imaginäre Steuerschulden erdichtet, sondern auch rosenfingrige Poeme“, so Hoeneß während einer Vorablesung auf der Leipziger Buchmesse am gestrigen Samstag. „Inzwischen bin ich mir meiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Wenn ich meinen Mitbürger schon nicht auf finanziellem Weg entgegenkommen kann, will ich sie wenigstens mit meiner Kunst be‚reich‘ern“, schmunzelt der verurteilte Verbrecher.
Dann las er einige „köstliche Aperçus“ vor, wie er sie nannte. Aphorismen wie „Große Güte gehört nicht kleinlich vergütet“, „Wer dient, verdient“ und „Man kann sich hinterzogenes Geld nicht einfach aus dem Hintern ziehen“ stießen bei dem anwesenden Publikum allerdings nur auf gemischte Resonanz. Als Hoeneß sich dann noch eine weiße Weste reichen ließ und das Bonmot „Man soll nicht mit Fingern an den Armen auf reiche Leute zeigen“ nachlegte, harrten nur noch einige bayerische Vollzugsbeamte rund um die fußballförmige Leseinsel aus. Hoeneß schloss mit einem „irren Limer-verrück“, wie er ihn nannte:
„Es war mal ein Uli aus München,
Denn wollte das Landgericht lynchen.
Nur weil er vergessen,
Ein paar Peanuts zu blechen.
Mit denen zu rupfen ich noch habe ein Hühnchen.“