“Warum können wir uns beim Lesen so in ein Buch vertiefen, dass wir die Welt um uns vergessen? Warum gehen uns Reime ein Leben lang durch den Kopf, und warum schlagen Metaphern manchmal ein wie der Blitz?”, fragt Raoul Schrotts Verlag und legt mit “Gehirn und Gedicht“, das der Lyriker Schrott (der mich neulich in München erneut anfixte) zusammen mit dem Neurologen Arthur Jacobs verfasste, einen wissenschafts-literarischen 500-Seiten-Klotz vor, der die (schon leicht ausgetretenen) Pfade der kognitiven Poetik nun auch für den Otto-Feuilleton-Leser erschließt.
Gut so, finde ich, und Schrotts Kollege Dirk von Petersdorff findet das Nämliche; sicher auch, weil Schrotts formalistisch grundierte Argumente auch poetologisch auf Petersdorffs Linie liegen.
Freilich darf man Petersdorff fragen, ob die “Wiederholung von Lauten, Worten oder Satzstrukturen” gerade von einem Lyriker wie Thomas Kling par excellence eingelöst wird; und auch die Namen Karl Eibl (“animal poeta“) oder Rühmkorf (“agar agar” stand bei Schrotts Unterfangen ohne Zweifel Pate) hätten fallen können; alles in allem kann man Petersdorffs vorsichtiger Zustimmung (“Für einen Lyriker ist dieses Buch reizvoll”) nur, tja, zustimmen.
Und auch Nicht-Lyriker sollten sich einen Blick in die Leseprobe gönnen.