Mit EXOT #14 geht die Welt unter:

Exot14

Seit Montag ist EXOT #14 (Zeitschrift für komische Apokalypse) aus der Druckerei, seit Mittwoch auf dem Weg zu unseren Abonnenten, seit Donnerstag webweit (beispielsweise über unsere formidable Homepage) bestellbar, seit heute in der traumatisch tollen Titanic zu bewundern (vielmals Kotau an die Kollegen in Frankfurt).

Mehr Infos liefert treulich http://www.exot-magazin.de, dort auch Leseproben, Inhaltsverzeichnis, Erratum und ähnlich Unentbehrliches.

Ralph reichts: Die salonmarxistische Lesart

Theatrical release poster depicting the protagonist, Ralph, along with various video game charactersMit “Ralph reichts” (richtiger wäre übrigens “Ralph reicht’s” gewesen; aber das nur nebenbei) ist es Disney unfreiwillig gelungen, eine Parabel der modernen Arbeitsgesellschaft zu schreiben, die sogar schon Vierjährige verstehen dürften. Sagt zumindest der Salonmarxist in mir.

Aber lassen wir die Fakten sprechen: Die Welt der Arcade-Spielhalle, in der sich die Handlung von “Ralph reichts” ausschließlich zuträgt, wird strukturell von mächtigen Investoren (den menschlichen Spielhallenbesuchern) beherrscht, die ihr Geld in verschiedene Spiele fließen lassen, um eine Reihe von unfreien Vasallen (den Computerspielfiguren) zum Tanzen zu bringen. Der menschliche Investor hat die Wahl, sein Geld entweder in hochmilitarisierte Kriegsführung (“Hero’s Duty”), den schumpeterschen Zirkel von Zerstörung und Wiederaufbau (“Fix-it Felix Jr.”) oder in die zuckersüße Karikatur neoliberaler Beschleunigungs-, Selbststeigerungs- und Wettbewerbsphantasien (“Sugar Rush”) zu stecken.

Je mehr in ein bestimmtes Spiel investiert wird, desto höher dessen Marktwert; wird ein Automat jedoch nicht mehr nachgefragt, ‘stirbt’ das Unternehmen und die Mitarbeiter werden arbeitslos (wie es Q*bert und Kollegen passiert). Wenn innerhalb der Spiele auch nicht unbedingt tauschbarer Mehrwert produziert wird, so sind Ralph und Freunde doch typische Dienstleister, die acht und mehr Stunden am Tag einer durchtakteten Routine nachgehen müssen, bevor die Spielhalle schließt und sie einem trostlosen Feierabend entgegensehen dürfen.
Die Meinungen und Gefühle der Spielfiguren, die zum Vergnügen der Investoren instrumentalisiert werden, sind dabei völlig unmaßgeblich, selbst ihr (temporärer) Tod wird gezielt in Kauf genommen. Sie sind im Wortsinne ‘programmiert’ (sogar emotional) und von der Zurichtung ihrer Welt auf Gedeih und Verderb abhängig.

Ralph ist einer dieser Entfremdeten, den nach 30 Jahren des Ausharrens die große Gratifikationskrise packt: Er will auch endlich mal eine Medaille bekommen; eine Rolle, die ihm – als Bösem – nicht zugedacht ist. Da hilft nur, genau wie in der modernen Arbeitswelt, der Gang zur (Gruppen-)Therapie, bei der man sich der gegenseitigen Wertschätzung versichert und die eigene Fremdbestimmtheit zu akzeptieren lernt.
Als es Ralph schließlich titelgebend ‘reicht’, zeigen sich die wahren Dimensionen der geordneten Spielhallenwelt: Ein Ausbrechen aus dem Knast der Wiederholung wird mindestens mit Obdach- und Arbeitslosigkeit (dem vermeintlich defekten Spiel wird der Stecker gezogen), schlimmstenfalls mit der eigenen Liquidierung bezahlt. Echte Selbstbestimmung war in diesem Spiel nie vorgesehen.
Das einzige widerständige, im adornitischen Sinn nicht-identische Element dieser Welt ist der Glitch Vanellope, der allerdings an seiner gesellschaftlichen Teilhabe regelmäßig durch körperliche Gewalt und Einschüchterung gehindert wird und als Obdachloser am Rand der Gesellschaft existieren muss; unfähig, das Spiel zu verlassen und damit vielleicht Aussichten auf soziale oder berufliche Beweglichkeit zu bekommen. Vanellope wird ausschließlich von dem Verlangen angetrieben, von den Mechanismen des Spiels akzeptiert und ‘sinnvoller Teil’ der Arbeitsgesellschaft werden zu können; Ralph dagegen ist an einem sozialen Aufstieg innerhalb seines eigenen Segments der arbeitsteiligen Gesellschaft gelegen, die er notfalls mit unlauteren Mitteln (er ‘erringt’ die Medaille in “Hero’s Duty” nicht wirklich regelkonform) zu erreichen sucht.

Am Ende wird natürlich – im disneyschen Sinne – alles gut. Niemand hat seine Job verloren (bis auf den Betrüger Turbo, der gerichtet wird). Der Glitch, der noch für ein Moment der Resistenz gebürgt hatte, ist eingegliedert worden und hat gelernt, seine nicht-identischen Fähigkeiten identisch zu machen, indem er sie sogar noch den Mechanismen der Steigerungslogik angedeihen lässt (Vanellope ‘funktioniert’ aufgrund ihrer Fehlprogrammierung noch besser als ihre Konkurrentinnen).
Ralph ist der soziale Aufstieg innerhalb seiner Vergleichgruppe gelungen, obwohl seine Tätigkeit nach wie vor die gleiche ist. Er hat versucht, sein Schicksal zu ändern und daraus nur gelernt, zu akzeptieren, dass seine Selbstbestimmung weniger wichtig ist als die Hierarchie zwischen Über- und Unterbau. Und auch die ehemals selbstbestimmte Frau (Jean Calhoun aus “Hero’s Duty”) ist bei ihrem integren Heimwerker glücklich unter der Haube.
Die Schaltkreise sind wieder geschlossen. Und alle lächeln glücklich in den Abspann hinein. Nein?

pardon wird wieder gegeben:

Ab heute grüßt das "Pardon"-Teufelchen wieder am KioskRespekt, wieder-wieder-auferstandenes pardon!

So – und nur so – muss die endgültige Satire eines Magazins aussehen!
Eines Magazins, dessen erstes – und vermutlich einziges – Titelblatt neben den Namen toter Killerfedern wie Loriot und Böll mit solch erschütternden Humorentstellern wie Hellmuth Karasek und Bühnenkrankheiten wie Eckh. v. Hrhsn. aufwartet.
Und mit einem unübersehbar zentral platzierten Deppengenitiv (“Das Tagebuch von Gott”). “Das Tagebuch Gottes” nicht spritzig, witzig, frischer Wind etc. genug gewesen? Und vor allem: Welche Gedankenverbrechen und Humorgewebe erwarten uns erst im Inneren eures veritablen Witzblatts?
Nix sagen.
“Feinsinn, Unsinn, Hintersinn” (euer neues Motto), gell?
Im Moment schaut’s schwer nach Biedersinn, Altersschwachsinn und Uhrzeigersinn aus.

Kein pardon auf jeden Fall für:
Lino

Nachtrag: Vielsagend der (leider etwas hüftsteife) Zuruf von Norbert Thomma (tagesspiegel) samt dem zuoftgeschriebenen, aber ewigwahren: “Humorproduktion ist eine ernste Sache, und jeder Adressat hat seinen eigenen Geschmack.”

Nachtrag 2: Die 4 besten Witze aus der neuen pardon-Ausgabe:
1. “Die Ästhetik von Pardon haben wir bewusst clean und wertig gehalten“ (Die Artdirektorin).
2. “Ja, es war mir zu links und stand für den brachialen Geist der 68er” (Der neue Herausgeber über das alte pardon).
3. Der groß angekündigte Beitrag von Harald Schmidt.
4. Der nie erschien.

Verlorene Meisterwerke (XII)

Warum dieses Chef-d’œuvre über einen Mann mit großen Nasenlöchern, der sich beim Popeln ein Auge aussticht und dann als Minigolf-Attraktion endet, nie realisiert wurde? Die Antwort kennen nur die Ameisen.

Dingdong, Kiepenheuer & Witsch …

Schon klar, Kiepenheuer & Witsch, ganz leicht habters nie nicht. Ihr habt zwar begnadete Neurastheniker wie den hochlöblichen Christian Kracht an Bord. Aber halt auch Leser wie mich. Leser, die genau drei Seiten – und, notabene, die ersten drei Seiten – weit kommen und sich dann fragen, wer den Korrektor an Bord des Imperiums-Dampfers geladen hat. Keiner halt.
Sonst stünde nicht auf S. 1 und trotz stimmungsmäßig stimmiger alter Rechtschreibung “Porter Bier” (statt richtig: “Porter-Bier”), nicht auf S. 2 “hingeflezt” (statt richtig: “hingefläzt”); und was ihr euch auf S. 3 für ein Kommaschießen veranstaltet, ist eigentlich schon wieder einen eigenen, langweiligen Vortrag wert. Wobei man, der Fairness halber, den letzten Fall auch als angehängten Einschub durchgehen lassen kann.
Wer sich selbst überzeugen will, durchklicke einfach die untige Bilderreihe.

Also, ihr Kiwis: Nächstes Mal gerne vorm Imprimatur nochmal durchklingen. Adresse habter ja jetzt.
Euer rabulistischer Bildungsbürgerspross vom Internet: Lino.

Dieses Wochenende: Neue Bücher fürs Schland

Sa. 01.12. & So. 02.12.2012, 11 bis 19 Uhr
Bereits zum sechsten Mal lädt das Literaturhaus München zum Markt der unabhängigen Verlage “Andere Bücher braucht das Land” ein. 30 Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz prostituieren sich und ihre Programme ein Wochenende lang im Münchner Literaturhaus: Einen Schwerpunkt bilden in diesem Jahr Verlage von Graphic Novels und illustrierten Büchern; ergo wird es auch eine Illustrations-Ausstellung geben.

Mit dabei sind natürlich auch der Satyr-Verlag für Satire, Humor & Belletristik sowie EXOT, die Zeitschrift für komische Literatur. Yours truly wird den Stand persönlich veruntreuen.

An den Nachbartischen werden zu finden sein: A1 Verlag (München) / asphalt & anders (Hamburg) / Black Ink (Scheuring bei München) / edition ebersbach (Berlin) / edition fünf (Gräfelfing) / edition moderne (Zürich) / Dörlemann Verlag (Zürich) / Hirschkäfer Verlag (München) / lichtung Verlag (Viechtach) / Lieschen Montag (München) / luftschacht verlag (Wien) / Maro Verlag (Augsburg)/ Milena Verlag (Wien) / mixtvision Verlag (München) / Peter Hammer Verlag (Wuppertal) / poetenladen (Leipzig) / Reprodukt Verlag (Berlin) / Salis Verlag (Zürich) / Secession Verlag (Zürich) / starfruit publications (Nürnberg) /  Strapazin Comic Magazin (München/Zürich) / Transit Verlag (Berlin) / Verbrecher Verlag (Berlin)  Verlag Das Wunderhorn (Heidelberg) / Verlag Schreiber & Leser (München) / Verlagshaus J. Frank (Berlin) / Weidle Verlag (Bonn) / Tubuk und augen:falter (Leipzig).

Kommt, kramt, krakeelt und kauft (z.B. Weihnachtsgeschenke)!

Mehr Informationen liefern auch Facebook und dieser Zeitungsbericht.

Slamologie [Draft]

Lose Notizen zu Poetry-Slam-Theorie bzw. Plädoyer für eine neue Spannungskultur des Slam

Bislang konnte sich die Poetry-Slam-Theorie nur auf einige wenige Parameter einigen, die echte Verbindlichkeit beanspruchten. Einig ist man sich selbstverständlich darüber, dass ein Poetry Slam eine Veranstaltungsform bezeichnet, auf der selbstverfasste Texte vorgetragen werden, die von einem Publikum bewertet werden.

Daraus leiten sich – nach meinem Verständnis und dem vieler KollegInnen – unter anderem folgende, an dieser Stelle vielleicht etwas abstrakt formulierte, Prämissen ab (die sich selbstverständlich zum Teil ergänzen und/oder überschneiden): Literarizität (die vorgetragenen Texte tragen Merkmale des Literarischen; wobei wiederum zu diskutieren ist, was ‚das Literarische‘ sei), Oralität (die Texte werden mündlich vorgetragen), Performativität (der Text wird durch den Vortragenden gestaltet), formale Freiheit (alle Texte sind zugelassen), Regularität (es gelten bestimmte Bedingungen, beispielsweise ein Zeitlimit), Kommunikativität (der Poet spricht zum Publikum), Agonalität (die Poeten stehen untereinander im Wettbewerb), Singularität (die Veranstaltung findet – im Gegensatz etwa zu einem Theaterstück – nur einmal in genau dieser Form statt), raumzeitliche Begrenzung (der Slam findet an einem Ort statt, beginnt irgendwann und hört irgendwann wieder auf), hierarchisch strukturierte Multiagentialität (es sind verschiedene Personengruppen beteiligt, von denen einige die Veranstaltung stärker dominieren als andere), dazugehörig: Vorhandensein einer Steuerungs- und Supervisionsagentur (der Slammaster lenkt den Abend, achtet auf die Einhaltung der Regeln), Offenheit (Zurufe, Pannen, Improvisationen usw. kommen vor und werden in den Abend eingespeist), Aleatorik (die Reihenfolge der Auftretenden wird ausgelost), Nicht-Alltäglichkeit/Ästhetisierung (die Veranstaltung überführt den Rahmen des gewohnten Lebensweltlichen ihn den Rahmen der Kunstvermittlung), Personalunion von Autor und Vortragendem sowie dazugehörig: Inszeniertheit/Rollenwechsel (die Auftretenden werden, bewusst oder unbewusst, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, als Auftretende wahrgenommen und entsprechend anders bewertet).
Natürlich können einige dieser Faktoren aufgeweicht werden: So gibt es Haiku-Slams, auf denen das Primat der Formfreiheit nicht mehr gilt; Slam-Shows ohne Wettbewerbsdruck, Auslosung oder Slammaster, die in gleicher Weise wiederholt werden können (und damit nicht mehr singulär sind) – wobei man freilich argumentieren könnte, dass es sich gerade bei den letztgenannten Slam-Shows nicht mehr um Slams im eigentlichen Sinn handelt.

Marvin Ruppert: Tobias Kunze (2010). Quelle: WikiCommons

Darüber hinaus existieren einige andere Faktoren, die gerne mit Slam in Zusammenhang gebracht werden, die aber zu problematisieren sind.

Dies betrifft beispielsweise die Interaktivität zwischen Performer und Publikum (wie sie beispielsweise in Preckwitz‘ ‚Interaktionsästhetik‘ des Slam eine zentrale Rolle spielt): In zahlreichen Fällen findet diese Interaktion nämlich gar nicht statt, da das Publikum in deutlicher Distanz zu den Auftretenden sitzt und nicht in den Vortrag eingreift oder sonstiges Feedback liefert. Die einzige Interaktion besteht in solchen Fällen darin, die Vorträge der Performer zu bewerten; eine zumindest eher schwache und punktuelle Form des Eingreifens in den Veranstaltungsablauf.
Auch liest man (so bei Petra Anders), die bei Slams vorgetragenen Texte seine ‚verständlich‘ und der ‚Lebenswelt‘ der Zuhörer nahe: eine Behauptung, die zumindest von einigen Laut- oder Lyrik-Performern schnell widerlegt werden dürfte. Überhaupt stehen alle Aussagen über wiederkehrende Stile, Mittel und Themen, über Genre-, Gattungs- oder andere Zugehörigkeiten unter der akuten Gefahr, prompt durch Gegenbeispiele widerlegt zu werden; ein Grund übrigens dafür, warum sich der Begriff ‚Slam Poetry‘ für eine bestimmte Literaturform nur schwerlich wird etablieren lassen (s. dazu unten) – außer in einer ganz allgemeinen Formulierung, nämlich als ‚Texte, die bei Slam-Veranstaltungen zum Vortrag kommen‘.
Ebenfalls bei Petra Anders ist die Rede von der Intertextualität vieler Slam-Texte, d.h. davon, dass die entsprechenden Autoren sich in ihren Texten aufeinander bezögen. Eine wichtige Beobachtung, die aber nicht verallgemeinert werden darf (und von Anders, notabene, auch nicht verallgemeinert wird).
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die demokratisch-egalitäre Komponente des Slam, die auch immer dann besonders betont wird, wenn es darum geht, die politischen und gesellschaftskritischen Meriten der Veranstaltungsform herauszustellen. Die Bühne stehe jedem offen, heißt es, jeder erhalte gleich viel Zeit und Aufmerksamkeit. Dies wird spätestens da in Frage gestellt, wo die Veranstalter (bei den meisten Slams der Fall) einige ihrer Favoriten schon im Vorfeld einladen oder für den Vortrag ankündigen, während andere Teilnehmer ausgelost werden. Auch das Credo der Chancengleichheit wird spätestens bei der berüchtigten Frage brüchig, ab ein Performer noch Chancen auf den Sieg hat, wenn er als Erster auf die Bühne gelost wird.

Ich würde an dieser Stelle gerne einige der genannten – verhandelbaren wie unverhandelbaren – Faktoren rund um Poetry Slam und Slam Poetry reformulieren, und zwar in einer Form, die mir sinnvoller scheint, um die These zu stützen, dass Slam vor allem aus verschiedenen Spannungsgeschehen besteht. Dabei ist es nötig, verschiedene Ambivalenzen aufzuzeigen, die ich als die eigentlichen Dynamisierungsimpulse des Slam verstehe, sei es während der Veranstaltung selbst oder im Diskurs darüber. Slam gib sich auf diese Weise als Netzwerk zu verstehen, das aus verschiedenen, spannungsreichen Dichotomien besteht, die in ihrer Gesamtheit ein Format ausmachen, das in den letzten Jahren – völlig zu Recht – so viele Liebhaber, Beteiligte, Kritiker und Neider angezogen und eigene Kultfiguren hervorgebracht hat.

Ich möchte die folgenden Unterpunkte (unter denen auch Aspekte zur Sprache kommen, die bislang nicht genannt wurden) vor allem in Fragen ausformulieren, weil ich denke, dass dies das geeignete Mittel ist, um die Spannungen, um die es mir hier geht, zu verdeutlichen.
Gleichzeitig sind dies genau die Fragen, die ich zum jetzigen Zeitpunkt weder beantworten kann noch will, von denen ich mir aber wünsche, dass sie in der Slam-Theorie in Zukunft eingehender diskutiert werden.
Von welchen Dichotomien spreche ich genau?

1. Oralität vs. Literarizität
Die Beiträge auf Slam-Bühnen werden mündlich vorgetragen und in der Regel durch performative Elemente unterstützt. Gleichzeitig werden Slams als Literaturveranstaltungen beworben und verstanden; wobei Literatur (schon vom Wortstamm her) als Begriff die schriftliche Fixierung konnotiert. Inwiefern lässt sich Slam also als ‚literarisch‘ bewerten? Oder zielt schon diese Frage am Kern des Formats vorbei?

2. Inhalt vs. Darbietung
Slam-Beiträge beinhalten einen gesprochenen Text und die Art und Weise, wie dieser präsentiert wird. Lassen sich diese beiden Ebenen analytisch und/oder rezeptiv trennen? Inwieweit ist dies notwendig? Wird ein Slam-Beitrag dadurch erfolgreicher oder weniger erfolgreich, dass diese beiden Ebenen besser zusammenspielen? Oder ist gerade das Gegenteil der Fall?

3. Eventualität vs. Speicherung
Einerseits zeichnen sich Slams durch ihre raumzeitliche Singularität ab; andererseits gibt es deutliche Bestrebungen, Slam-Texte und Auftritte in Form von Videos, Büchern, Audio-Mitschnitten, DVDs, CDs usw. zu speichern und weiterhin zur Verfügung zu stellen. Inwiefern stellt dies die erwähnte Singularität von Slam infrage? Lässt sich in einem Moment, in dem ein Slam nicht mehr live und vor Ort erlebt werden kann, noch von Slam sprechen?

4. Interaktivität vs. Monokommunikativität
Spricht der Autor nur mit dem Publikum? Oder spricht es auch zurück? Wie weit ist es mit der vielgepriesenen Rückkopplung zwischen Publikum, Slammaster und Slammer tatsächlich her? Reicht die Tatsache, dass das Publikum (oft nur als repräsentative Jury) den Vortrag bewertet, schon aus, um von Interaktivität zu sprechen? Eine dazugehörige Frage: Steht die Feier der Gemeinschaft im Mittelpunkt (wie es Slampapi Marc K. Smith wünscht und fordert) oder diejenige des einzelnen Poeten? […]

5. Agonalität vs. Demokratisierung

6. (Selbst-)Inszenierung vs. Authentizität

7. Abgeschlossene Slamily vs. Durchlässigkeit zu anderen Szenen

8. Kulturindustrieller Kommerz vs. Subkulturalität

9. Poetry Slam vs. Slam Poetry

10. Pädagogisierung vs. Gegenstaatlichkeit

11. Spektralität der Beiträge vs. Monokulturalität

12. (Post-)Avantgarde vs. Epigonalität

13. Professionalisierung vs. Laienkultur

14. Erwartbarkeit vs. Improvisation

15. Freiheit von Kunst & Kultur vs. Evaluierbarkeit ästhetischer Ereignisse

Cheats für High Impotentials

Just flattert die sehr schöne Alumni-Zeitschrift einer meiner alten Unis in den Briefkasten; auch einige magisch-realistische, nur wenig ironische Berufstipps für “Uberachiever” (zum Ausschneider und Sammeln) von yours truly beinhaltend, die ich euch gerne vorenthalten möchte, aber aus Gründen unergründlicher Geltungssucht nicht kann.

Cheats1- Cheats2-